Reinhold Eichhorn zum Haushaltsplan 2024

Rede: Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Czisch, Frau Bürgermeisterin, Herren Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,

seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahr 2020 agiert das Land im Krisenmodus. Auf die Pandemie folgte der Angriffskrieg gegen die Ukraine und seit ein paar Wochen die Auseinandersetzung im Gaza Streifen. Die Kommunen stehen vor der Aufgabe den vielen geflüchteten Menschen Schutz zu bieten. Auch die Energiekrise hat unsere Bürgerinnen und Bürger verunsichert, die Verkehrswende, der Klimawandel und deren Folgen erfordern wirkungsvolles Handeln. Und auch die Integration von Geflüchteten wird uns dauerhaft begleiten.

Aber trotz diesen widrigen Voraussetzungen ging die Arbeit in der Stadtverwaltung und in unseren Beteiligungsgesellschaften weiter. Wir können heute feststellen: die Stadt hat funktioniert und wird weiter funktionieren. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben bis an ihre Belastungsgrenze gearbeitet. An dieser Stelle möchte ich mich im Namen der FWG unseren Dank, allen Beschäftigten in Verwaltung und in unseren Gesellschaften, aussprechen für ihre engagierte und gute Arbeit.

Wir erleben Krisen, die sich überlagern, teilweise gegenseitig verstärken, teilweise bedingen. Die Gleichzeitigkeit der Krisen fordert Staat, Kommunen und Gesellschaft enorm. Hinzu kommt die Herausforderung einer gelingenden klimagerechten und digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft.

Kann das alles gelingen?

Wer dies mit einem uneingeschränkten „Ja“ beantwortet, verschließt die Augen vor der Dimension der aktuellen Krisen. Unsere Stadt übernimmt als Gesicht unserer demokratischen Strukturen auch in dieser Vielfach-Krise Verantwortung. Und in dieser Verantwortung sagen auch wir deutlich: Die Leistungsfähigkeit des Staates hat ihre Grenzen erreicht, die Gesamtheit der staatlichen Leistungsversprechen ist unserer Meinung nach nicht mehr erfüllbar.

Die Umfragen bestätigen: Die Mehrheit der Deutschen hält den Staat für überfordert.

In den Kommunen werden die aktuellen Herausforderungen konkret, dort wohnen, leben und arbeiten die Menschen. Kommunen -große wie kleine- sind Schulen unserer Demokratie, dort entscheidet sich auch, wie wir in Zukunft leben. Während Bundes- und Landespolitik oft als weit entfernt und abstrakt empfunden werden, wird Politik vor Ort als greifbar und real erlebt.

Der Erwartungshorizont, was Kommunen zu leisten haben, ist allerdings weit gespannt: Innenstädte lebenswert gestalten, Ganztagsbetreuung und Digitalisierung in der Bildung garantieren; gleiche Chancen für Kindergrundsicherung ermöglichen, sichere Zukunft der Kultur aufzeigen, Integration fördern und finanziell absichern, mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen, nachhaltige Mobilität fördern, den Weg für Klimaschutz ebnen, Digitalisierung selbstbestimmt voranbringen, kommunale Einnahmen und Investitionen sichern.

Dies alles sind Erwartungen, die die Kommune -ohne darüber Pleite zu gehen- bitte alle erfüllen soll. Aber Kommunalpolitik funktioniert nicht als „Wünsch-dir-was“ für jeden. Vielmehr gilt es, inhaltlich und politisch langfristig tragfähige Finanzierungsstrukturen zu entwickeln.

Die originäre Aufgabe des Staates ist – neben vielem anderen die Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger. Kurz gesagt: Die Dinge, die unser tägliches Leben ermöglichen, müssen für alle verfügbar sein.

Diese Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge sind zwischenzeitlich zur Selbstverständlichkeit geworden.

Doch viele Bürgerinnen und Bürger vergessen zunehmend, dass die dauerhafte Sicherstellung eines solchen Leistungsportfolios einen großen Teil der kommunalen Ressourcen – und zwar sowohl der finanziellen als auch der personellen – bindet. Dies wird dadurch verstärkt, dass die Gesetzgeber auf europäischer, bundesdeutscher oder baden-württembergischer Ebene die zu gewährleistenden Standards regelmäßig weiterentwickeln und anheben. Durch nachlaufende Rechtsprechung und Auslegung gewinnen diese Standards zusätzlich an (Umsetzungs-) Komplexität.

Fast jeder zusätzliche Standard kann für sich betrachtet gut begründet werden. Es ist die Summe der Standards, die letztlich die laufenden Ausgaben und den Personalbedarf der öffentlichen Hand in einem Maße nach oben getrieben hat, dass die Luft für Zukunftsgestaltung fehlt. Neue Standards, Rechtsansprüche und gesetzliche Leistungen sind nicht mehr erfüllbar, ohne dass das Bestehende überprüft und angepasst wird. Anspruch und Wirklichkeit müssen wieder zusammenfinden. Es muss gelten „Lieber weniger versprechen, dafür aber verlässlich und qualitätvoll einhalten!“ Es bedarf dazu einer ernsthaften Aufgaben- und Standardkritik. Der Staat kann nur das Geld verteilen, das er vorher über Steuern eingenommen hat. Und davon kann jeder Euro nur einmal ausgegeben werden und es wird sich bei vielen Themen die Frage stellen, ob dies für die Zukunftsfähigkeit erfolgt oder für das „Hier und Jetzt“.

Letztlich geht es um die Frage, ob unsere Gesellschaft und die politisch Verantwortlichen die Bereitschaft zu einer generationengerechten Politik auch dann haben, wenn dies bedeutet, auf etwas zu verzichten, einmal „nein“ zu sagen oder etwas aufzuschieben.

Die Städte und Gemeinden sind die Orte der Wahrheit, weil sie die Orte der Wirklichkeit sind. Politische Beschlüsse werden dort umgesetzt und für die Bürger erlebbar. Der Erfolg von Politik hängt damit von der Leistungsfähigkeit der Städte ab.

Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft ist:

  • das Bewusstsein von Politik und Gesellschaft, dass die staatliche Leistungsfähigkeit begrenzt ist.
  • Eine vorausschauende Politik, die der Realität Rechnung trägt, braucht eine klare Prioritätensetzung.
  • Jede staatliche Leistung, Zusage oder gesetzliche Vorgabe von Bund und Land muss vorab auf ihre Umsetzbarkeit und Finanzierbarkeit geprüft werden
  • Partikularinteressen dürfen politisches Handeln nicht leiten. Richtschnur muss vielmehr das Allgemeinwohl und die Generationengerechtigkeit sein. In diesem Sinne haben Investitionen in Klimaschutz, Zukunftsinfrastruktur und Bildung übergeordnete Priorität.

Um unsere Stadt auch in unsicheren Zeiten Zukunftsfähig zu gestalten bedarf es einer soliden realistischen Finanzplanung und gesicherte Steuereinnahmen.

Es geht um Wirtschaftsförderung, Arbeit für Alle, Wohnen für Alle und es geht um Anreize und Voraussetzungen zu schaffen, dass sich Firmen in Ulm niederlassen und in Ulm bleiben, denn wir sind auf die Gewerbesteuer angewiesen um alle unsere Aufgaben und Vorhaben zu erfüllen. Es geht darum den Wirtschaftsstandort Ulm und der Region auf Jahre hinaus zu sichern.

Die Rankings (z.B. Berlin Institut, Prognos Zukunftsatlas) bescheinigen Ulm regelmäßig eine hohe Zukunftsfähigkeit. Sie bestätigen, dass der von uns eingeschlagene Weg der richtige ist. Wir sehen Ulm weiterhin als Industrie- und Handelstandort, glaube aber, dass die Bedeutung von Forschung und Entwicklung weiter zunehmen wird. Schon heute ist die Wissenschaftsstadt auf dem Oberen Eselsberg der Jobmotor für Ulm und die Region. Ulm hat nicht mehr eine Wissenschaftsstadt, Ulm ist eine Wissenschaftsstadt, aber nicht nur, denn Ulm bietet Arbeit für alle Menschen. Durch den Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Stuttgart und Ulm wird die Position Ulms als Mobilitätsdrehscheibe gestärkt. Dadurch wird die Attraktivität der Stadt als Standort für Unternehmen, aber auch als Wohn- und Arbeitsort für Fachkräfte in den nächsten Jahren weiter zunehmen.

Es wurde und wird in unserer Stadt weitergebaut. Gut zu erkennen an den vielen Baustellen.

Unsere Haushaltsplanberatungen für den HH 2024 fanden 2 Tage nach der OB Stichwahl und kurz vor Weihnachten statt. Mein Eindruck war, es herrschte eine sonderbare Stimmung und Diskussionen fanden so gut wie nicht statt. Ich werde jetzt nicht über die einzelnen Zahlen in diesem HH eingehen, die haben wir ja alle vorliegen. Nur ein paar Anmerkungen.

Im vorgestellten HH für den FB BuS setzt sich der Trend zu einem kontinuierlich wachsenden Zuschussbedarf für unseren Ergebnishaushalt fort. Die dargestellten Mehrausgaben sind nachvollziehbar. So sind die Steigerungen im Schwerpunktthema Sozial- und Jugendhilfe zum Teil durch die Gesetzgebung des Bundes vorgegeben.

Die Indexierung der Zuschüsse mit 12,5 % haben wir mitbeschlossen und werden diese auch mittragen, aber unsere Zuschüsse sind sehr vielfältig, deshalb meinen wir, dass eine pauschale Indexierung in Zukunft nicht das ideale Instrument ist, um den konkreten zusätzlichen Bedarf zu decken.

Wir stehen für eine bedarfsgerechte Unterstützung der Vereine und freien Träger.

Mit dem sehr guten HH 2024 geben wir dem neuen Gemeinderat und neuem Oberbürgermeister eine hervorragende finanzielle Ausgangslage, um zum Einem den eingeschlagenen Weg fortzuführen und zum Anderem sich neue Ziele zu setzen.

Für die Erarbeitung dieses HH bedanke ich mich im Namen meiner Fraktion beim Bürgermeister Martin Bendel und bei allen die daran beteiligt waren. Wir haben mit unserem HH und dem Beteiligungsbericht Nachschlagewerke die große Transparenz bieten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen meine Damen und Herren ich wünsche uns allen ein gutes und erfolgreiches Wahljahr 2024